Was ist Gamification aus der Sicht eines Spiele-Autors?
Gamification liegt im Trend. Manche Unternehmen sind überzeugt, mittels Gamification die Motivation der Mitarbeiter zu erhöhen. Andere schätzen Gamification als Vermittler von Lerninhalten – und einige Unternehmen möchten einfach nur ihren Umsatz „spielerisch“ steigern. Was genau ist jetzt Gamification?
Auf jeden Fall eine gute Gelegenheit, jemanden zu fragen, der sich hauptberuflich mit dem Erfinden von Spielen befasst. vialevo hat den Kinderspiel-Autor des Jahres 2022 zum Thema Gamification ausführlich befragt. Das Interview führte Dr. Michael Monka.
Wer das Interview gerne im Original hören möchte, kann dies hier tun:
Interview mit Jens-Peter Schliemann – Autor „Kinderspiel des Jahres 2022„
vialevo: Ich freue mich, heute Jens Peter Schliemann hier zum Interview begrüßen zu dürfen. Jens Peter Schliemann ist gemeinsam mit Bernhard Weber der aktuelle Spieleautor für das Kinderspiel des Jahres, das den Namen „Zauberberg“ trägt. Herzlich willkommen – und schön, dass Du hier bist.
Jens-Peter Schliemann (JPS): Ja, herzlich willkommen.
vialevo: Ich möchte Dich, bevor wir starten, gerne erst einmal denen vorstellen, die sich in der Welt der Spiele nicht so gut auskennen.
Schaut man zu Wikipedia, dann ist Jens Peter Schliemann hier als Spieleautor und Mathematiker mit insgesamt 23 Spielen aufgeführt. Diese sind in der Zeit von 1996 – 2022 veröffentlicht worden. Einige dieser Spiele haben zudem zahlreiche Auszeichnungen und Nominierungen erhalten – unter anderem zum Spiel des Jahres, zum Kinderspiel des Jahres und zum Deutschen Spielepreis. Im Ausland gab es Preise in Österreich, in der Schweiz und in Frankreich.
Wir haben uns bei einer seiner Testspielrunden kennengelernt, in der neue Spiele ausgetestet werden, um sie später als stimmiges Konzept bei einem Verlag einzureichen.
Wie wird man Spieleautor?
In diesem Interview soll es um Spiele im Allgemeinen gehen – und im Speziellen, um Spiele beim Einsatz in Unternehmen. Das Stichwort ist hier Gamification. Bevor wir zu dieser speziellen Sichtweise von Spielen kommen, möchte ich aber vorher von Dir, Jens Peter, wissen, wie wird man eigentlich Spieleautor – vor allem mit einem mathematischen Hintergrund?
JPS: Ja, zu spielen beginnt man ja schon als Kind. Ich habe immer gerne gespielt. Ich habe auch gerne gewonnen – und das hat natürlich dann als Kind in mir Ehrgeiz geweckt. Das heißt, ich habe mir durchaus auch schon mal im Vorfeld überlegt, wie kann ich denn gewinnen – und so ist dann womöglich auch ein gewisses strukturelles Denken in mir geweckt worden. Ich bin in der Schule auch immer recht gut in Mathematik gewesen. Dabei hat die Mathematik mir dann wiederum geholfen, gute Strategien zu finden – und umgekehrt.
“ In dem Artikel stand, dass Alex Randolph Zeit seines Lebens Spiele entwickelte – und da ist in mir etwas geweckt worden. „
Das heißt, in meinen jungen Jahren war das so wie ein Dipol. Ich war tatsächlich dann auch in der Oberstufe ein Mathe-As, aber ansonsten ein normaler Schüler. Als Dreizehnjähriger habe ich mal einen Artikel über Alex Randolph gelesen. Der Artikel war nur so groß wie eine halbe Spielkarte. In dem Artikel stand, dass Alex Randolph Zeit seines Lebens Spiele entwickelte – und da ist in mir etwas geweckt worden. Das war einfach da, als Idee – und das war als Emotion auch da. Also ich weiß gar nicht, wie ich das genauer beschreiben soll. Wahrscheinlich war es das Wichtigste, was ich je gelesen habe.
Wie geht ein Spieleautor vor?
vialevo: Viele können sich die Arbeit eines Buchautors vorstellen. Aber wie arbeitet eigentlich ein Spieleautor?
JPS: In Spielen geht es darum, dass sich eine Dynamik entfaltet, die auch eine gewisse Dramaturgie hat und die selbstmotiviert stattfinden kann. In dem Sinne bin ich immer in dem Versuch, eine kompositorische Einheit zu finden, die sich so zusammenfügt, dass sich darüber Dynamik entfaltet – zielführend darauf, wie man das Spiel auch ausrichten möchte. In dem Sinne ist man als Autor permanent versucht, das Ganze, das man da kreiert, in einen guten – ja ich würde sagen – in einen verdichteten Zusammenhang zu bringen.
Wie unterscheiden sich Kinder- von Erwachsenen- und Unternehmens-Spielen?
vialevo: Wir haben bereits gesehen, die Liste deiner Spiele ist inzwischen sehr umfangreich. Du warst bisher auch in unterschiedlichen „Spiele-Segmenten“ tätig: Im Bereich der Kinderspiele, im Bereich der Erwachsenenspiele – und in einem Vorgespräch hast du mir davon berichtet, dass du auch im Bereich der Unternehmens-Spiele Erfahrungen gesammelt hast. Meine Frage: Was charakterisiert und was unterscheidet eigentlich diese drei Zielgruppen? Starten wir einmal bei den Kinderspielen …
“ … ich muss mich auch darauf einlassen, wie Kinder heutzutage sind. Das ist das Herausfordernde. Was ich daran besonders liebe, ist, von einer Materialität auszugehen … „
JPS: Ja, beim Kinderspiel bin ich ja selbst nicht mehr die Zielgruppe, sondern ich muss mich auf eine Zielgruppe, die ich selbst nicht mehr bin, an die ich mich aber noch ein wenig erinnern kann, orientieren. Aber jede Generation ändert sich, das heißt, ich muss mich auch darauf einlassen, wie Kinder heutzutage sind. Das ist das Herausfordernde. Was ich daran besonders liebe, ist, von einer Materialität auszugehen – und das kann man insbesondere sehr stark im Kinderspiel verwirklichen. Das heißt, wenn in der Materialität schon eine Funktionalität steckt, die eine spielerische Relevanz hat, dann fasziniert mich das. Vor allem, wie sich dann auch weitere Regelungen in dem Spiel zueinander fügen, um das Ganze zu einer Einheit zu verbinden. Dann hat man in dieser Material-Funktionalität schon etwas, was Spieler, die mit dem Spiel konfrontiert werden, gar nicht mehr lernen müssen, weil dies ja vom Material ausgehend schon da ist …
Was ist charakteristisch für Erwachsenen-Spiele?
vialevo: Und wie würdest Du die Zielgruppe der Erwachsenenspiele charakterisieren?
“ … ich finde, man kann über ein Spiel sowas wie familiäre Liebe leben. Also eine Form von Geborgenheit, von Miteinander und von Innigkeit. „
JPS: Da ist es für mich eher das Familienspiel – also das generationen-verbindende, was ich genießen kann. Das heißt, diese aus spielerischer Sicht sehr heterogene Gruppe. Also, wenn man so will, die Mutter im Klischee-Sinne, die sich freut, wenn alle aus der Familie zusammen sitzen. Der Vater, der gestresst von der Arbeit kommt. Das ehrgeizige Söhnchen und das liebe Töchterlein und die halb blinde Oma. Alle spielen miteinander und alle werden auf eine Art und Weise vom Spiel noch abgeholt. Wenn also jeder für sich etwas finden kann in dieser spielerisch gesehen heterogenen Gruppe – damit eine familiäre Einheit entstehen kann. Ich habe das so erlebt. Ich habe viel mit meinem Opa gekniffelt und ich finde, man kann über ein Spiel sowas wie familiäre Liebe leben. Also eine Form von Geborgenheit, von Miteinander und von Innigkeit.
Motivation in Unternehmen
vialevo: Und wie siehst Du die dritte Gruppe? Tanzt sie vielleicht so ein wenig aus der Reihe? Was ist da für Dich das Kennzeichnende?
“ … ich denke in Dynamiken, ich denke in Motivationen von Menschen und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man alles Mögliche – seien es Produkte, seien es Dienstleistungen – eben auch spielerisch angeregt umsetzen kann. „
JPS: Naja, wenn man sich als Spieleautor erlebt und das über Jahrzehnte schon praktiziert, dann hat man natürlich Kenntnis darüber, was Menschen motiviert. Was ihnen Spaß macht. Dann denkt man aber auch öfter: Warum wird manches in der Politik zum Beispiel so und so festgelegt und warum macht man das nicht etwas freudiger? Das heißt, ich denke in Dynamiken, ich denke in Motivationen von Menschen und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man alles Mögliche – seien es Produkte, seien es Dienstleistungen – eben auch spielerisch angeregt umsetzen kann. Das heißt, mit der Lust, die wir als Spielautoren versuchen in unseren Spielen einzubringen, dies auch entsprechend umzusetzen.
In dem Sinne ist es aber noch eine zusätzliche Herausforderung. Denn wenn ich ein Brettspiel oder ein Gesellschaftsspiel für den normalen Brettspielmarkt entwickle, dann weiß ich in der Hauptsache, da muss ich jetzt den Spaß finden, der da drin stecken soll. Bei einer Umsetzung im Auftrag von einem Unternehmen soll aber auch noch etwas weiteres transportiert oder simuliert werden. Das heißt, ich habe hier noch die zusätzliche Aufgabe, die Simulation als solche umzusetzen. Und das ist dann zusätzlich mit spielerischem Spaß zu versehen. Das ist dann aber auch der Kick, den ich sehr spannend finde, weil ich damit dann oft an sehr modernen Themen dran bin.
Gamification – Nur Mittel zum Zweck?
vialevo: Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Zielgruppe der Unternehmen nun etwas genauer eingehen. Viele fragen sich, „Spiele und Unternehmen?“, passt das eigentlich zusammen?
Um das zu beantworten, gibt es möglicherweise mehrere Ansätze. Einer davon ist das Stichwort Gamification. Wenn man dazu ins Internet schaut, gibt es allerdings keine einheitliche Sicht auf das, was Spiele im Unternehmen ausmachen.
Eine Beschreibung, die ich ebenfalls bei Wikipedia gefunden habe, beschreibt Gamification als Anwendung von Spiele-Design-Prinzipien, Spiele-Design-Denken und Spiele-Mechaniken auf spielfremde Anwendungen und Prozesse, um Probleme zu lösen und Teilnehmer zu engagieren und zu motivieren.
“ Setzt man bei Gamification einfach einen „Homo Oeconomicus“ auf die Schultern eines Mitarbeiters und sagt: Jetzt spiel mal schön? „
Mal abgesehen davon, dass man den Satz wahrscheinlich dreimal lesen muss, um ihn zu verstehen, lautet meine erste Frage dazu: Setzt man bei Gamification einfach einen „Homo Oeconomicus“ auf die Schultern eines Mitarbeiters und sagt: „Jetzt spiel mal schön“?
JPS: Nein, man versucht tatsächlich die Mittel, „was macht Menschen aus einer eigenen Motivation heraus Spaß“, einzusetzen. Zu Beginn unseres Lebens, im Kindesalter, ist unser Alltag ja geprägt von spielerischen Tätigkeiten. Das heißt, wir sind zunächst erstmal spielerisch aufgestellt. Das mag sich dann vielleicht in älteren Jahren auch ein bisschen verringern – aber letztlich ist es auch so angelegt, dass ein Spiel immer auch mit Lernerfahrungen zu tun hat. Mit Auseinandersetzungen, sich in etwas zu erproben. Ebenso mit sozialer Interaktion. Und das sind alles Werte, die wir natürlich als Mensch brauchen und die für uns essenziell sind. Die uns als Kind auch tatsächlich weiter entwickeln lassen und für gewisse Fertigkeiten auch aufstellen lassen. Es gibt nicht immer Sachen, die eindeutig definierbar zu erlernen sind, wo man ein festes Prozedere hat, wie man etwas zu erlernen hat. Vielmehr gibt es ganz viele Dinge, die sich in dem Erproben von Geschick – oder meinetwegen im Erproben, „dass das mal so oder so zu denken ist, erst ergründen und verstehen lassen. Und dafür ist so etwas, wie ein Spiel ein super Medium, weil es eben als solches die Interaktion in einem Zwischenraum von etwas verdeutlicht.
Gamification im Bereich Agiler Arbeitsmethoden
vialevo: Inzwischen sind einige Bücher auf den Markt gekommen, die das Thema „Agile Spiele“ zum Gegenstand haben – dies wäre ein weiterer Ansatz.
Zum Verständnis: Agile Arbeitsmethoden werden in Unternehmen häufig in der Softwareentwicklung – aber mehr und mehr auch in Projekten eingesetzt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass in einem Projekt die Anforderungen zu Beginn nicht in Gänze definiert sind, sondern sich innerhalb des Projektes nach und nach verändern können. Von den Mitarbeitern wird somit eine stete „Agilität“ gewünscht, flexibel auf die Anforderungen zu reagieren. Agile Spiele sollen diese Denk- und Arbeitsweise fördern.
Meine Frage: Das gehäufte Erscheinen, speziell dieser Bücher, könnte ein Hinweis sein, dass sich manche Unternehmen eher für den Einsatz von Spielen eigenen (z.B. Softwareunternehmen) und andere ggf. weniger (z.B. Handwerksberufe). Hast Du hier Erfahrungen – wie ist Deine Einschätzung dazu?
“ Also, ich als Spieleautor muss ebenso agil agieren. „
JPS: Also, ich als Spieleautor muss ebenso agil agieren. Ich kann nicht sagen, ich habe jetzt eine Idee und das ist dann das Spiel. Das wäre ja im Grunde ebenso, dass man sich ein Konzept ausdenkt, und meint, man hat dann schon etwas Abschließendes. So funktioniert eigentlich Kreativität aus meiner Sicht überhaupt nicht. Sondern ich gehe dann wirklich auch in einen Prozess und muss agil sozusagen auf das reagieren, was mir da passiert. Was mir sozusagen die Umsetzung, die ich mache, zeigt. Was meine spielerische Improvisation damit zeigt und was mir die Mitspieler, die ich dafür finde, im Prozess auch zeigen. In diesem Kreativmodus bin ich,so dass ich daraus ein Prozess designe.
Eignen sich nur bestimmte Unternehmen für Gamification?
vialevo: Die Frage zielte ein wenig auch in die Richtung, dass z.B. Handwerksunternehmen, die eben nicht agil arbeiten, nicht so offen für agile Spiele sind, weil sie jetzt vielleicht einen ganz anderen Arbeitsmodus haben. Sie sind vielleicht in ihrem Arbeitsprozess vielmehr festgesetzt, als so eine Software-Schmiede. Und das ist nochmal ein interessanter Aspekt: Siehst du es auch für machbar an, dass man in solch klassischen Bereichen – mit vielleicht konservativen Arbeitsabläufen – genauso Spiele einsetzen kann?
JPS: Man kann überall versuchen, über das Medium Spiel, neue Arbeitspraktiken, vielleicht auf diese Art und Weise einführen. Man muss vielleicht immer ein wenig schauen, ob die Zielgruppe bereit ist, das auf einem Spielwege zu machen. Vielleicht sollten das dann eher Spielformen sein, die sich nicht wie ein Spiel anfühlen, sondern eher wie eine Improvisation, die auch das „Serious-Game“ daher kommt. Das bedeutet, man würde vorab analysieren, wen hat man da als Mitarbeiter vor sich und wie kann man diese Menschen tatsächlich abholen, so dass sie sich auch mitgenommen fühlen.
Besteht ein Unterschied zwischen Brettspielen und Gamification-Spielen?
vialevo: Wenn man sich die Spiele in den genannten Büchern näher anschaut, dann wird man schnell feststellen, dass es sich hier nicht um klassische Brettspiele handelt, sondern eher um Gruppenspiele, mit mehr oder weniger Material. Das Spiel „Marshmallow Challenge“ benötigt z.B. 1 Marshmallow, 20 rohe Spaghetti, 1 Meter Klebeband und Paketschnur sowie eine Schere. Die Aufgabe besteht nun darin, in 18 Minuten einen möglichst hohen Turm zu bauen. Meine Frage: Ist das ein Spiel oder ist das Arbeiten mit spielerischen Elementen? Also, im klassischen Brettspiel-Sinne wäre es wahrscheinlich kein Spiel.
“ … aus dieser Irritation heraus kann man etwas Neues entstehen lassen. „
JPS: Ja, es ist eine kreative Herausforderung, Menschen mit Mitteln zu konfrontieren, die erstmal aus sich heraus eine Irritation darstellen. Und aus dieser Irritation heraus kann man etwas Neues entstehen lassen. Das heißt, konzeptionelles Denken ist immer so angelegt, dass man mit dem Althergebrachten arbeitet – und versucht – das was traditionell erfolgreich ist, umzusetzen. Der spielerische Ansatz ist aber eher so angelegt, dass man sich an Neues herantraut. Dass man versucht, in einer spielerischen Improvisation als Prozedere aufzugehen. Dass man sich von Materialität – wie hier jetzt kurios Spaghetti und Klebeband – inspirieren lässt, und das alles auf einmal kombiniert. Das ist sicherlich irgendwo eine überspitzte und auch eine absurde Situation und soll auch nur als Exempel dafür stehen. Das würde aus meiner Sicht niemals das gleiche sein, wie schlussendlich eine seriöse (spielerische) Produktumsetzung. Es soll vielmehr in einer Coaching Situation Irritationen auslösen, um in andere Denkmuster zu kommen.
Eignen sich Kinderspiele als Gamification-Ansatz?
vialevo: Einmal quergedacht, könntest du dir vorstellen, eines deiner Kinderspiele in so einem Bereich einzusetzen?
JPS:Ja, durchaus. Also, ich habe ein Spiel schon mal auf solch eine Art und Weise benutzt: In einem Deutsch-Lernkurs. Dabei rollte eine Kugel zu 12 verschiedenen Toren und man kann nicht sehen, wo die Kugel hin rollt. Aber man kann es versuchen zu hören. Und an diesen Toren steht dann z.B. die Brücke oder das Eingangstor oder das Haus usw. Die Deutschlernenden müssen dann die Frage beantworten, „wo ist wohl die Kugel hin gerollt“? Eine Antwort wäre: „Ich glaube, die Kugel ist an das Haus gerollt“. Auf diese Art und Weise wurde geübt. Das war der Versuch, ein Kinderspiel, wo es nur darum ging, zu hören ,wo öffnet man was, mit diesem Satz zu verknüpfen. So dass Leute, die gerade anfangen, Deutsch zu lernen, so einfache Sätze dazu sagen müssen, die dann so vorgegeben sind.
Vom Homo Oeconomicus zum Homo Ludens
“ Kann man beim Spielen im Unternehmen überhaupt eine klare Grenze zwischen „Arbeiten“, „Kreativ im Beruf sein“ und „nicht zweckgerichtetes Entspannen“ ziehen? „
vialevo: Der Autor eines der „agilen“ Bücher charakterisiert die Spieler interessanter Weise als „Homo Faber“ – also den „schaffenden“ Menschen. Diesen Ansatz finde ich interessant, weil er sich vom reinen Homo Oeconomicus – also dem anfangs erwähnten rational agierenden Menschen – unterscheidet. Doch schaut man in dieser Analogie auf den „Homo Ludens“ – also den spielenden Menschen – dann spielt dieser eben gerade nicht zweckgerichtet. Meine Frage: Kann man beim Spielen im Unternehmen überhaupt eine klare Grenze zwischen „Arbeiten“, „Kreativ im Beruf sein“ und „nicht zweckgerichtetes Entspannen“ ziehen?
JPS: Man kann, wenn ein Beruf es von einem fordert, dass es auch um kreative Lösungen geht – das heißt ja, dass nach Lösungen gestrebt wird, die keiner logisch vorgebbaren Kette folgen – am ehesten eine Verbindung zu Spielen herstellen. Man muss hierbei den Lösungsweg – oder die Lösung als solches – in einer Art Kreativität finden. Das bedeutet in meinem Fall als Autor oft, dass ich mit einer Problemlage, die ich erkenne, hadere. Dass ich diese dann in den Fokus nehme. Dass ich teilweise verschiedene Brillen aufsetze: Wie schaue ich jetzt mal auf die Dynamik oder wie schaue ich auf die Regeln oder die Komplexität. Oder ich gezielt darauf, wie interagieren gerade die Spieler? Oder, wie habe ich denn die Materialität gerade umgesetzt, um sich diesem Problem unter dieser Problemlage unter einem gewissen Fokus nähern zu können? Irgendwann habe ich vielleicht die richtige Brille aufgesetzt – habe das Problem stärker durchdrungen und dann braucht es aber bei mir auch die Momente des Abstands und der Entspannung. Hier entstehen auf einmal Lösungen. Das kann bei mir beim Yoga sein oder aber auch morgens beim Aufwachen. Das heißt, letztlich ist unsere Kreativität so angelegt, dass sie uns als ganzen Menschen braucht. Das gilt in dem Alten, in der Alltäglichkeit, in der wir uns befinden und auch in der Emotionalität, in der wir uns befinden. Und das muss man dann durchaus für diesen kreativ Bereich, in dem gearbeitet wird, auch so mit anlegen, Sozusagen mitberücksichtigen. Das sind diese Räume, die es braucht, damit es zu kreativen Lösungen kommen kann. Hier ist die Grenze in der Tat fließend.
Sind Spieleabende mit dem Gamification-Ansatz vergleichbar?
vialevo: Das würde die Ansicht ja widerlegen, dass Menschen, die sich nur zum Spieleabend treffen, nicht zielgerichtet spielen – sondern es ist in allen Bereichen ein weiter Bogen?
JPS: Ja, spielerische Lösungen zu finden, kann nicht immer auf der Zielgeraden stattfinden. Das heißt, ich brauche auch teilweise, um wirklich nach vorne zu kommen, Euphorie in meinem kreativen Prozess. Dann bin ich begeistert von etwas, weil ich weiß, das wird jetzt das Ganze wirklich voranbringen. Aber Euphorie kann mich sozusagen auf so eine Zielgerade stellen, wo ich nicht genügend nach rechts und links schaue. Dann muss ich irgendwann nochmal in die Phase kommen, wo ich mir auch den Kritiker-Hut aufsetze: Um dann zu realisieren, ja an der Stelle ist eine Lösung entstanden, aber ein dem Bereich ist es immer noch nicht rund genug. Und in dem Sinne braucht es dieses Wahrnehmende. Teilweise kann man das nicht in einem Rutsch machen, sondern, dann hat man erst die Phase der Euphorie. Im Nachhinein noch die Phase der Kritik und der kritischen Auseinandersetzung, ehe man dann zu einem ganzheitlichen Ergebnis kommt.
Rahmenbedingungen für Gamification
vialevo: Angenommen, ein Unternehmen möchte den Weg, Spiele in die Unternehmenskultur zu integrieren, beschreiten: Welche Dinge müssen aus deiner Sicht beachtet werden, um Spiele so einzusetzen, dass sie akzeptiert werden und einen „echten“ Effekt für alle Seiten haben?
Ich nenne hier ein paar Stichwörter, wie z.B. „Vorerfahrungen der Spieler“, „passende räumliche Umgebung“, „Moderation“, „Reflexion“ – wie wichtig sind diese Aspekte?
“ Spiele sind in der Lage, Arbeits-Prozesse so zu designen, dass sie … zielführend sind. „
JPS: Spiele sind in der Lage, Arbeits-Prozesse so zu designen, dass sie irgendwo auch zielführend sind. Das heißt, der Prozess begibt sich dann auf eine Art und Weise in ein Designkonzept oder Korsett oder Regel-Gefüge, dass sich Menschen darin motiviert fühlen. Sich weiterhin orientiert fühlen, um sich zielorientiert zu verhalten und mit einer gewissen Freiheit und Lust am Tun und am Erleben durch diesen Prozess gehen.
Was ist mit Spiel-Verweigerern?
vialevo: Was würde man machen, wenn jemand sagt: „Ich bin aber gar kein Spieler! Kann oder soll man ihn dazu drängen? Sollte man ihn herausnehmen aus der Gruppe?
JPS: Kann sein, dass man gewisse Leute, die eine extreme Grundskepsis haben, nicht wirklich abholen kann. Es ist aber auch denkbar, dass man herausfinden muss, was derjenige damit eigentlich meint: „Nein, sowas wie Schach-artige Spiele, das habe ich nie gemacht, das ist nicht meins.“ „Aber so etwas, wie Kommunikationsspiele, wo es gesellig wird, das ist genau meins. Oder ich bin eigentlich jemand, der lieber ganz für sich alleine wurschtelt und ich liebe dann aber so dieses Knifflige und Haptische“. Das heißt, das Spiel kann ja auf ganz vielen verschiedenen Ebenen Herausforderungen bieten und man kann natürlich Spielernaturen auf unterschiedlichen Ebenen erreichen. Man muss es probieren.
Wie wichtig ist der „Spiel“-Raum?
vialevo: Wie wichtig ist Dir der Raum – die Umgebung? Am Arbeitsplatz im Unternehmen ist man ja in einer anderen Räumlichkeit als privat. Sollte man da lieber aus dem Unternehmen rausgehen und dann das Spiel durchführen?
“ Der Raum sollte vielleicht das, was als Spielprozess angelegt ist, auch unterstützen können. „
JPS: Der Raum sollte vielleicht das, was als Spielprozess angelegt ist, auch unterstützen können. Ein Spiel kann z.B. auch von der Atmosphäre leben – und dann sollte die Atmosphäre dementsprechend angelegt sein. Und man kann natürlich auch einen spielerisch angeregten Kontext im Sinne von Räumlichkeit schaffen. Also auch der Raum selber kann einfach in der Anlage schon so sein, dass er spielerisch motivierend ist, ohne dass derjenige, der sich in diesen Raum begibt, damit konfrontiert ist. Dass ihm nicht gesagt werden muss, er spielt gerade etwas. Der Kontext spielt also immer eine ganzheitliche Sichtweise auf etwas.
Braucht Gamification zwingend einen Moderator?
vialevo: Und als letzter Aspekt das Thema Moderation. Wenn man zum Spieleabend geht, moderieren sich die Leute selbst. Einer der Spieler wird die Regeln vorlesen – und dann spielen alle. Wie siehst Du das im Unternehmen? Braucht es hier einen Moderator, der die Leute anleitet oder erstmalig anleitet? Und kann man sie dann allein laufen lassen?
“ Das Tolle an einem guten Spiel ist, dass das Spiel selber schon die Moderation in sich trägt.“
JPS: Das Tolle an einem guten Spiel ist, dass das Spiel selber schon die Moderation in sich trägt. Das heißt, ich als Spielautor stehe immer in der Herausforderung, wenn ich ein Spiel entwickle, dass ich niemals bei dem veröffentlichten Spiel dann als Moderator daneben sitze und noch korrigierend eingreifen muss. Im besten Fall habe ich alles so angelegt, dass eine Runde selbstständig damit umgehen kann und das das Ganze geführt ist von dem, wie das Material, wie die Regelumsetzung und wie die Anschauung im Kontext dessen, wie wir als Menschen aufgestellt sind, zu dem Ganzen passt. Und das ist eigentlich etwas Schönes, dass nicht eine Führungspersönlichkeit dabei ist, sondern dass das Spiel und das Spielsystem selbst die Führung übernimmt. Die Spieler agieren darin dann als gleichwertige Partner – im Kontext miteinander. Das ist eine Stärke und das ist auch eine Möglichkeit, wie Lust entsteht, im Miteinander.
Mehr „Spiel“-Raum durch Eigenverantwortung im Unternehmen
vialevo: Ok, das ist sehr interessant, weil die meisten dieser agilen Ansätze davon ausgehen, dass immer moderiert wird. Du würdest also sagen, an der Stelle lohnt es sich, auch mal Spiele zu erfinden, die eigenständig auf Unternehmen ausgerichtet sind. Die vielleicht einmal erklärt werden, aber dann unter den Leuten eigenständig gespielt werden – verstehe ich das richtig?
JPS: Ja, das würde eben die Eigenverantwortung wecken. Ich glaube, dass man so eine Art Verantwortungs-Management auch in solchen Spielstrukturen unterbringen kann, die dafür Sorge tragen, dass jeder seinen eigenen Verantwortungsbereich und auch die Gesamtverantwortung mit übernimmt – und dass das im interagierenden Sinne gelöst werden kann.
Gamefication demnächst auch als Angebot von Spieleverlagen?
vialevo: Wie erklärst du Dir, dass bisher noch keinen namhafter Spieleverlag auf die Idee gekommen ist, Spiele für Unternehmen herauszubringen?
“ Der Brettspielmarkt ist in der Hinsicht Themen-konservativ „
JPS: Ja, der Brettspielmarkt ist in der Hinsicht Themen-konservativ. Das heißt, sie möchten ganz gerne klassische Themen nutzen, wo sie wissen, dass das immer schon gut funktioniert hat. Und dabei eine große Breite an Zielpublikum abholt werden kann. Aber aus meiner Sicht tut sich da der Brettspielmarkt keinen Gefallen. Es ist sicherlich gut, sich an aktuelle und sehr modernen Themen überhaupt ranzutrauen, weil man damit auf jeden Fall auch Menschen begeistern und gewinnen kann. Ich stehe dafür, dass ich da Lust drauf habe – dass ich das hochinteressant finde, genau das auch gerne für Unternehmen zu entwickeln. Denn wenn Unternehmen für sich erkennen, wie sie mit Hilfe des Kommunikationsträgers „Spiel“ etwas vermitteln können, dann wird das ja auf jeden Fall ein aktuelles Thema.
Wo eignet sich Gamification im Unternehmen?
vialevo: Um noch konkreter zu werden: Für welche Situationen eignen sich Spiele im Unternehmen am besten? Ich habe hier einige Beispiele herausgesucht. Wenn Du dazu spontan sagen könntest, welche bekannten Spiele Dir dazu einfallen, bzw. welche Dinge man in den entsprechenden Situationen vielleicht beachten sollte:
Was z.B. immer wieder genannt wird, ist eine Unterstützung der Team und Gruppenbildung – sowie der sozialen Dynamik. Fallen Dir da aktuelle Brettspiele ein, die genau solche Simulation simulieren oder anregen oder gibt es andere wichtige Aspekte, die Du spielerisch hierbei berücksichtigen würdest?
Kooperative Spiele zur Team-Bildung
JPS: Ein relativ moderner Trend sind die sogenannten „kooperativen“ Spiele.
“ Diese Spiele haben dennoch auch das psychologisch konkurrierende in sich, weil jeder die Herausforderung bekommt, sich gut genug zu verhalten, damit das Spielziel erreicht wird.“
Das sind Spiele, in denen es am Ende keinen einzelnen Sieger gibt, sondern wo die Spielrunde als Ganzes entweder als Gewinner des Spiels hervorgeht oder das Spiel gemeinsam verliert. Wo sich die Spieler also im System gemeinsam herausfordern und dann ein gewisses Ziel erreichen oder auch nicht. Diese Spiele haben dennoch auch das psychologisch konkurrierende in sich, weil jeder die Herausforderung bekommt, sich gut genug zu verhalten, damit das Spielziel erreicht wird. In diesem Sinne ist das etwas, wo dann auch so etwas wie Team Building erprobt werden kann.
Spielend zur besseren Kommunikation?
vialevo: Ein zweite Situation, die häufig von Unternehmen genannt wird, ist der Bedarf an einer besseren internen Kommunikation.
JPS: Ja, hier gibt es ein eigenständiges Genre: Die Kommunikationsspiele. Hier geht es darum, mit Hilfe von Begriffen oder Darstellungen in Assoziationen zu kommen. Diese Kommunikationsspiele z.B. das Spiel Dixit, gehen in die Fantasie der Assoziation herein. Sie rufen sozusagen in jedem einzelnen Gedankenassoziationen hervor. Oft führt das Spiel dazu, dass man diese Gedankenassoziationen, die jeder einzelne entwickelt, miteinander teilt. Das heißt, es werden Denkprozesse im Sinne von Verknüpfungen angeregt und untereinander mitgeteilt. Das ist etwas, bei dem auf einmal eine veränderte Kommunikation stattfinden kann. Man ist dabei also nicht in einem immer wiederkehrenden Small Talk, sondern man wird durch das Spiel in eine neuartige Kommunikation ins Miteinander geführt. Auf diese Weise lernt man neue kommunikative Wege kennen.
Kreativitiät und Spiele
vialevo: Ein dritter Bereich, den ich rausgesucht habe, ist der Bereich der Kreativität. Manche Unternehmen müssen, gerade wenn es um Software- oder Produktentwicklung geht, kreative Aspekte fördern. Gibt es hier Beispiele, die diesen Aspekt fördern?
“ [Escape Room-] Spiele haben oft einen Kreativ-Ansatz, der zeigt, wie man miteinander erfolgreich auf Lösungen kommt. „
JPS: Ja, hier fallen mir die ganzen Escape Room Spiele ein. Diese gibt es auch als Brettspiele. Hier wird ebenfalls die Fantasie angeregt, um auf eine Lösungsidee zu kommen. Es sind zwar in erster Linie Logikrätsel, aber es gibt hier eben auch Rätsel, bei denen man erstmal auf den entscheidenden Ansatz kommen muss, um dann die Verkettung, die darin steckt, zu lösen. Diese Spiele haben oft einen Kreativ-Ansatz, der zeigt, wie man miteinander erfolgreich auf Lösungen kommt.
Was können digitale Spiele-Disigner von Brettspiel-Autoren lernen?
vialevo: Du hast im Vorgespräch gesagt, dass du auch beratend tätig bist, bei Menschen, die selber Spiele entwickeln? Geht es hier in erster Linie nicht auch um Kreativität? Dass man spielerisch herangeführt wird, wie man seine Kreativität entfalten kann?
“ Man kann sagen, im Brettspiel läuft das aus meiner Sicht kreativer, weil die digitalen Spiele oft so einen hohen Programmieraufwand haben, dass sie eigentlich viel konzeptioneller gedacht werden müssen. „
JPS: Ja, ich gebe Workshops zum Entwickeln von Brettspielen im „Cologne Game Lab“. Für Studenten, die dort einen Aufbaustudiengang zum digitalen Game-Design machen. Denen bringe ich nah, wie das im Brettspielbereich geschieht. Man kann sagen, im Brettspiel läuft das aus meiner Sicht kreativer, weil die digitalen Spiele oft so einen hohen Programmieraufwand haben, dass sie eigentlich viel konzeptioneller gedacht werden müssen. Weil man ja erst viel später zum spielerischen Ausprobieren kommt.
In Brettspielen kann man recht zügig etwas entwerfen – meinetwegen, wie soll der Spielzug aussehen? Und dann denke ich mir dazu noch ein passendes Spielziel aus – und anschließend kreiere ich noch ein gewisses Szenario, wie das Spielfeld oder der Spielaufbau sein soll. Mit diesen drei Aspekten hat man dann eigentlich schon ein allererstes Spielkonzept. Das funktioniert in der Regel alles noch nicht wirklich im Miteinander, aber ich kann es sofort ausprobieren. Ich kann es mit einem Partner direkt ausprobieren. Ich kann spielerisch improvisieren und dann kann ich nachjustieren. Dann merke ich sehr schnell, was davon funktioniert und was davon noch sehr unbefriedigend ist. Anschließend gehe ich in einen erweiterten Prozess. Dann entwerfe ich nochmal eine andere Material-Umsetzung. Dann merke ich z.B., dass ich konzeptionell noch gar nicht genug über die Interaktion nachgedacht habe und überlege mir, wie kann ich diese verstärken. Dann beginnt im Grunde ein Prozess – innerhalb des Entwicklungs-Prozesses. Und dieser führt dazu, dass man nicht von einer konzeptionellen Ausgangsidee, die eigentlich nur das bisher Dagewesene aufgreift, ausgeht, sondern dass man von einer vielleicht starken, schon verdichteten Ausgangsidee in einem Prozess gleitet, die dann die vielen anderen Ideen, die passend sein müssen, hinzufügt. Um letztendlich daraus eine kompositorische Einheit zu formen.
Häufig unterschätzt im Unternehmen … Spielen als reine Entspannung
vialevo: Ok, zum Schluss zu diesem Fragenkomplex noch zwei Bereiche, die gar nicht so sehr mit der Effizienz zu tun haben, aber vielleicht trotzdem eine Rolle im Unternehmen spielen können. Gemeint ist hier der Einsatz von Spielen zur Auflockerung und zum Spaß – z.B. zwischen Meetings. Gibt es da Spiele, die eine Situation schaffen, wo man entspannter wird. Oder wenn man konzentriert in eine Situation hineingehen muss, sich vorher aber auflockern möchte?
JPS: Ja, aus meiner Sicht könnte das Beispiel, bei dem mit Hilfe von Material Irritationen auslöst, um den höchsten Turm zu bauen, so etwas sein. Das könnte ich mir z.B. auch in Meetings vorstellen. Das heißt, wer vielleicht einen spielerischen Instinkt hat, und das Meeting leitet, der kann natürlich eine festgefahrene Situation auf diese Weise auflockern. Dann macht es vielleicht Sinn, mal wegzugehen von dem, wo alle gerade die Nase nah dran haben – um mal etwas völlig anderes reinzuwerfen. Um hier einen neuen Denkimpuls in das Ganze einzubringen, der vielleicht noch nicht eine komplette Lösung liefert. Der aber einfach in der festgefahrenen Situation dafür sorgt, dass jeder seine Gedanken, die er gerade hat, in etwas Neues versetzen kann.
Von Kindern lernen
vialevo: Wo Du gerade das Marshmallow Spiel genannt hast. Hier gibt es auch schon Analysen darüber. Man hat es Geschäftsführern, Architekten und ganz normalen Mitarbeitern gezeigt. Man hat zudem auch Kindern die Aufgabe gestellt. Derjenige, der das Spiel erfunden hat, ist ganz stolz auf die Ergebnisse. Diese zeigen, wer als Gruppe im Durchschnitt den höchsten Turm gebaut hat. Was glaubst Du, wer von den Genannten den höchsten Turm gebaut hat?
JPS: Die Architekten.
“ Diejenigen, die in der beruflichen Situation waren, haben meist erst einen Plan gemacht und sehr viel Zeit darauf verwendet. „
vialevo: Nein, die waren nur Zweiter. Die Kinder waren Erster. Und zwar wurde das so erklärt, dass die Kinder den Vorteil hatten, dass sie sofort anfingen, das Spiel umzusetzen. Sie fingen direkt an zu spielen und haben dann kontinuierlich nachjustiert. Diejenigen, die in beruflichen Situation waren, haben meist erst einen Plan gemacht und sehr viel Zeit darauf verwendet. Sie haben letztendlich zu viel Zeit damit verbracht und dann das Ganze beim Doing nicht mehr hinbekommen.
Eine besondere Dynamik entsteht in spielenden „Dreier-Teams“
JPS: Also, wenn ich mit meinen Studenten arbeite, ist mir Folgendes wichtig: Ich bringe sie in ein Dreier-Team, weil ich „Drei“ für eine starke kreative Konstellation halte. Weil einer mit der Euphorie oftmals vorprescht. Der zweite wird dann zum Sparringspartner. Der kann dann noch mitziehen. Der Dritte wird dann oft schon den Kritiker Hut aufsetzen.
“ Alle Kreativ-Teams, die hauptsächlich nur bei einer Sache bleiben, werden Scheitern. „
In Dreier-Teams kann man diese Sachen schon gut abdecken. Ich lasse alle sehr früh ein Spielzielszenario entwerfen, damit sie was Konkreteres haben. Sie sollen natürlich auch in ein konzeptionelles Denken und ein Brainstorming kommen. Sie sollen aber vor allem mit dem, was sie da haben, spielerisch improvisieren. Sie sollen zudem eine neue Material-Umsetzung hinbekommen. Und ich lege Wert darauf, dass sie alle drei Dinge tun. Alle Kreativ-Teams, die hauptsächlich nur bei einer Sache bleiben, werden Scheitern. Die kommen insgesamt nicht wirklich vorwärts.
Spielend Energie tanken
vialevo: Ein letzter Punkt oder weitere Situation, die für mich auch neu war – und ich so nicht erfahren habe: Es werden in einigen Unternehmen auch Spiele eingesetzt, um Energie zu tanken. Gibt es Dir bekannte Spiele, wo man Energie wieder aufladen kann?
JPS: ja sicher. Menschen die gerne spielen, die sich zudem mit Brettspielen beschäftigen, haben natürlich auch Lust an diesen Spiel-Prozessen. Kinder im Generellen und Menschen, die das in ihrer Kindheit zu Genüge kennengelernt haben, werden das sicherlich auch noch immer im Erwachsenenalter genießen können. Wenn sie immer wieder in spielerische Prozesse hineingeraten können. Sie können auf diese Weise Energie aufladen. Also, ich liebe das, wenn ich Erwachsene mit meinen Kinderspielen noch erreiche. Ich lege daher die Spiele auch schon so an, dass sie auch den Erwachsenen Spaß machen, und im Grunde ist das dann ein schöner Moment, wenn man erwachsene Menschen wieder bei ihrer kindlichen Seite abholen kann – die sie meist noch in sich tragen. Wenn sie diese Energie für diese Zeit noch erwecken können. Das hat dann in der Regel auch immer mit entspannten Momenten zu tun. Und natürlich kann man auch Arbeitsprozesse positiv damit gestalten.
Wie sollte Gamification im Unternehmen eingeführt werden?
vialevo: Zum Abschluss jetzt auch nochmal die Frage: Wie wäre die Vorgehensweise, wenn jemand mit Dir gerne konkret Spiele im Unternehmen entwickeln und einführen möchte. Was würde da stattfinden? Stichwort „Vorgespräche“, „Klärung der Ausgangssituation“. Vielleicht kannst Du dazu ein wenig erläutern?
“ Ich gehe im Grunde gerne so vor, dass man zunächst eine Simulation erstellt, die ich bereits im Entstehungsprozess begleite. Diese Simulation wird dann Schritt für Schritt in >Spielerisches< übersetzt. „
JPS: Ich kann nicht allein ein Spiel entwickeln. Das heißt, es muss kontinuierlich ein Austausch stattfinden. Denn nur das Unternehmen weiß im Grunde, was es gerne über ein Spiel abgebildet haben möchte. Es hat aber natürlich nicht die Kompetenz und die Möglichkeiten, die notwendigen spielerischen Mittel dafür einzusetzen. Und ich muss umgekehrt mich herantasten an das, was da simuliert werden soll. Das heißt, ich gehe im Grunde gerne so vor, dass man zunächst eine Simulation erstellt, die ich bereits im Entstehungsprozess begleite. Diese Simulation wird dann Schritt für Schritt in „Spielerisches“ übersetzt. Dabei begebe ich mich in eine Suche, wie man das alles spielerisch transferiert. In dem Sinne findet sich die Simulation als Prozess nachher im Spiel Prozess wieder. Anschließend finden Aspekte von Spielentwicklungen statt, in dem Sinne, dass man sehr genau darauf achtet, wo dann tatsächliche Interaktion zwischen den Spielern stattfindet. Was sind Momente der Zugänglichkeit? Also, wo sind die Leute motiviert, etwas zu tun?
Von der Dramaturgie … über die Emotionen …
vialevo: Mithin auch die Charakterisierung der Zielgruppe?
JPS: Ja, genau, In welcher Komplexität wird sich das Ganze abspielen? Mit welcher Dramaturgie – und welche emotionalen Prozesse werden darüber transportiert? Auf was wird das Ganze zielführend ausgerichtet?
vialevo: Ich denke, man sollte zudem abklären, ob das im Workshop stattfinden soll oder ob es in einem Meeting durchgeführt wird. Ob dafür am Nachmittag oder am Abend vielleicht ein eigener Raum geschaffen wird. Findet es innerhalb oder außerhalb der Arbeitszeit statt?
… zum passgenauen Unternehmens-Spiel
JPS: Man kann sich generell alles vorstellen, was mit einem Spiel unterstützt werden kann. Das kann das Produkt des Unternehmens selbst sein. Dass man versucht, dieses mit etwas anzureichern, was dann eine andere Auseinandersetzung mit dem Produkt ausmacht. Es kann natürlich etwas sein, wo ganz konkrete Arbeitsprozesse nochmal besser designt werden. Dass diese auch als Dienstleistung des Unternehmens für Kunden von außen zu bewältigen sind. Und dann kann es natürlich auch eine Mitarbeiter Weiterbildungssituationen sein, wo man versucht, mit einer neuen Haltung gewisse Prozesse, die im Unternehmen stattfinden, weiterzuentwickeln.
vialevo: OK, Ich danke Dir recht herzlich für dieses interessante Interview. Für diejenigen, die gerne das Thema vertiefen und Kontakt aufnehmen möchten, habe unter dem Interview die entsprechenden Kontaktdaten aufgeführt. Bleibt mir nur noch zu sagen: Recht herzlichen Dank und – wie unterschreibst Du Deine Mails immer?
JPS: „Mit spielerischen Grüßen“
vialevo: … in diesem Sinne, vielen Dank!
Kontakt:
SpieleErfinderStudio
Jens-Peter Schliemann
mobile: 01575 80 59 128
mail: jens-peter.schliemann@t-online.de
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